Haag: Der Spagat ist ein Stück breiter geworden

Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden Sebastian Haag am 19.11.2025

Sebastian Haag

Es gilt das gesprochene Wort.

 

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Bürger, Mitarbeiter der Verwaltung

Ein herzlicher Dank geht an die Kämmerei, an den Kämmerer Harald Kistler und sein Team für die geleistete Vorarbeit.  Wir danken auch dem Steuerzahler, der es Bundestagsabgeordneten ermöglicht, unsere Schlossfestspiele besser zu fördern.

Zu viele Aufgaben vom Bund ohne volle Gegenfinanzierung

Traditionell beginnen FDP-Haushaltsreden mit einem Zitat. Sofort eingefallen ist mir der Ausruf des berühmten Fiskal-Philosophen Wolfgang Schäuble: „S´isch over“.

 Und das wärs auch, wären wir ein Wirtschaftsunternehmen, dass nun ein weiteres Jahr mit einem ordentlichen Verlust plant und seine Reserven nun aufbraucht. Wären wir aber ein Wirtschaftsunternehmen, hätten wir a) mehr Einfluß auf unsere Einnahmen, zumindest theoretisch. Tatsächlich haben wir das nur zu etwa einem Drittel, der Rest kommt von bundesweiten Steuern und Zuweisungen von Bund und Land, auf die wir keinen Einfluß haben. Und b) hätten wir mehr Kontrolle über das was wir tun. Aber tatsächlich führen wir in einem großen Teil fremde Befehle aus – zwar mit  eigenem Impuls und Überzeugung, das will ich nicht in Abrede stellen, aber trotzdem sind wir untere Verwaltungsebene mit zum Beispiel Pässen und Geburtsurkunden einerseits, andererseits eine mit Bundes- und Landesrechtsansprüchen überhäufte z.B. Bildungsorganisatorin. Der Laie könnte jetzt sagen, „Passt doch! Wir tun was man uns auferlegt mit Geld was man uns dafür gibt.“ Doch hier schlägt die Komplexität unseres Staatsaufbaus ein erstes Mal zu: Wir bekommen viel zu wenig Geld für die Aufgaben, die wir erledigen sollen. Und jahrelang hats keinen interessiert, denn man hat mit überschießenden Einnahmen vieles ausgeglichen. Das ist seit Corona und dann spätestens seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und dessen Auswirkungen fundamental anders geworden. Die Ausgabeentwicklung ist der Einnahmeentwicklung deutlich davongaloppiert. 

- Entwicklung des Haushaltsvolumens seit 2019 –

2019 316 Mio

2021 332 Mio

2023 369 Mio

2026 422 Mio Ausgaben 

Wir sehen also nun weit über 400 Millionen € auf der Ausgabenseite – die müssen ja auch irgendwo herkommen. Neben dem kommunalen Anteil an den Bundessteuern sind auch unsere selbst steuerbaren städtischen Einnahmequellen in der Vergangenheit angehoben worden – dazu noch die unsägliche Umstellung der Grundsteuer – die uns nur Arbeit und in der Bevölkerung Verärgerung, aber keine Mehreinnahmen gebracht hat.

Und trotzdem reicht es nicht. Wir rechnen mit einer Unterdeckung von circa 20 Millionen, geben also viel mehr aus wie wir einnehmen. Und das ist ja nur der laufende Haushalt, alles was mit Investitionen zu tun hat läuft separat. Und wenn wir schon im Laufenden kein Plus machen, finanzieren wir alle Investitionen auf Pump. 

Der Spagat zwischen Aufgabenerledigung im Sinne der Bürger und notwendigem Personal und Finanzen ist ein Stück breiter geworden
Sebastian Haag

WINLB - Sparanstrengungen

Wir haben mit dem Projekt WINLB reagiert, ein freundlicherer Überbau über das, was wir alle insgeheim schon wussten, es muss gespart werden. Und wir wissen, dass wir in den Anstrengungen nun nicht nachlassen dürfen, auch wenn es jetzt so aussieht, als ob die Klage nach oben, die unter anderem auch der Oberbürgermeister geführt hatte, etwas Früchte trägt. Oder ist hier der nahende Landtagswahlkampf der eigentliche Verständnisbringer? Neben den Zwei-Drittel des Landesanteils an den Bundes-Investitionsschulden, der an die Kommunen fließen soll, obwohl deren Investitionsanteil eigentlich bei 80% liegt, fließen auch Sonder-Millionen an die Kommunen, was für die Stadt knapp 4 Mio bedeuten würde. 4 von 400, oder auch 4 von defizitären 25, man kann sich ausrechnen, wie weit das trägt. Eingerechnet ist es nämlich schon…

Und wir müssen uns die Frage stellen, inwieweit betreiben wir sinnvollen, grundsätzlich auch mal notwendigen Rückschnitt, oder haben wir die Schwelle zum Kahlschlag schon überschritten? Klar ist, der Spagat zwischen Aufgabenerledigung im Sinne der Bürger dieser Stadt und der dafür notwendigen Personal und Finanzausstattung ist wieder ein Stück breiter geworden. Trotzdem sehen wir die Stadt noch beim Rückschnitt. Die Rückkehr zu drei Dezernaten zieht eine große Verwaltungsreform mit sich, deren Gelingen wir befördern wollen und auf deren positive Auswirkungen einerseits auf den Haushalt, aber vor allem auch auf die Sicherstellung der Arbeitsfähigkeit der Verwaltung wir erhoffen. 

Wir haben an dieser Stelle immer eine Personalreduktion von angestrebten zweihundert Stellen gefordert. Dies erscheint angesichts der Rahmendaten immer noch angeraten zu sein, wenn wir auch sehen, dass aktuell zuerst der Erfolg der Dezernatsverkleinerung im Vordergrund steht. 

Ist dies gelungen, brauchen wir weitere Schritte, vielleicht auch zu mehr Eigenleistungen, etwa im Planungsbereich, wo wir hochqualifizierte Leute haben und trotzdem viel nach außen vergeben. 

Wir haben dieses Jahr weniger Anträge zu stellen, sind doch ein paar unserer letztjährigen Anliegen, teilweise auch ohne unser Zutun, in diesem Jahr positiv erledigt worden. Wir setzen uns aber u.a. für eine weiterhin jährliche Durchführung des Pferdemarkts inkl. Umzug ein. Eine solch wichtige Veranstaltung für die Menschen in unserer Stadt wollen wir gerne erhalten, und sehen stattdessen andere Einsparpotentiale. Es ist uns weiterhin ein Rätsel, wie man in einer solchen fiskalischen Situation weiter an einem Förderprogramm Klimabonus festhält, welches angesichts der geringen Fördersummen im Vergleich zu den notwendigen Gesamtkosten der jeweiligen Maßnahme nicht mehr als ein Mitnahmeeffekt sein kann. Keine Investition wird dadurch ausgelöst – und das ist nunmal der Zweck eines solchen Programms. Weitere Anträge behalten wir uns noch vor, wenn wir ein paar Antworten auf gestellte Nachfragen haben. 

Ich möchte mit einem mir eingefallenen zweiten Zitat schließen, was ich auf eine gewisse Gewöhnung mit der Situation zurückführe: Monty Pythons „Always look on the bright side of life“. Das handelt ja davon, so schlecht es einem gehen mag, trotzdem an die guten Seiten zu denken – und mit einem Lächeln zu enden. Und das tue ich jetzt gerne!

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