FDP-Stadträte: Schon der Zeitverlauf spricht gegen schienengebundene Stadtbahn

Die FDP-Stadträte Johann Heer und Jochen Eisele haben schon deshalb große Zweifel an der Realisierbarkeit einer schienengebundenen Stadtbahn, weil diese wohl kaum vor dem Jahr 2030 Wirklichkeit werden könnte. Das geht aus einer Einschätzung von Dr. Ulrike Schuckert und Manfred Schuckert hervor. Gleichzeitig kommt diese Analyse zu dem Ergebnis, dass ein straßengebundenes Modell sehr zeitnah realisierbar wäre, weil zeitraubende Genehmigungsverfahren entfallen würden.

FDP Stadträte Johann Heer (links) und Jochen EiseleFDP Stadträte Johann Heer (links) und Jochen Eisele

Brief an die FDP-Stadträte:

Sehr geehrte Herren,

die LKZ hat diese Woche über den aktuellen Planungsstand zum Thema Stadtbahn berichtet und dabei auch erwähnt, dass sich der Gemeinderat der Stadt Ludwigsburg in einer Klausurtagung am Wochenende mit dem Thema befassen wird. Aus unserer beruflichen Tätigkeit heraus ist es uns ein Bedürfnis, Sie auf ein zentrales Element hinweisen, das – zumindest aus unserem Kenntnisstand – in der bisherigen Diskussion keine Rolle gespielt hat, obwohl es fundamentalen Einfluss auf die Entscheidung haben sollte, nämlich die Frage der realistischen Zeitleiste für die Umsetzung (Planung, Bau, Inbetriebnahme).

Stadtbahn nicht vor 2030Stadtbahn nicht vor 2030

Selbst optimistisch betrachtet ist nämlich mit einem Baubeginn einer Stadtbahn nicht vor Mitte der 2030ger Jahre zu rechnen.  Dieser Zeitpunkt wäre aber nur einzuhalten, wenn zum einen eine Förderung durch Bund und Land zu diesem Zeitpunkt realistisch wäre und zugleich die Planung sofort mit aller Konsequenz begonnen werden und ohne Verzögerung etwa durch gerichtliche Einsprüche oder artenschutzrechtliche Maßgaben durchlaufen würde:

 

- Eine Förderung zu diesem Zeitpunkt ist allerdings mehr als ungewiss:

Das Schreiben des Rechnungshofs vom 2. Juni 2014 Nr. V-1303T00000-1301.11 (Drucksache 15 / 03. 06. 2014) widerspricht dem fundamental: „Baden-Württemberg hat im GVFG-Bundesprogramm viele Großvorhaben, die hohe Bundesfinanzhilfen erfordern. Diese Mittelanforderungen werden nicht erfüllt werden können. Vielmehr werden große finanzielle Lasten beim Land – derzeit zumindest für DB-Vorhaben – und bei den Vorhabenträgern in die Zukunft verschoben. Der Rechnungshof empfiehlt, neue Vorhaben für das GVFG-Bundesprogramm erst anzumelden, wenn eine Nachfolgeregelung vorliegt. Dies gilt auch für die Vorhaben, für die Förderungen in Aussicht gestellt und der Landesanteil von 20 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben bereits durch Verpflichtungsermächtigungen im Landeshaushalt sichergestellt wurden [was für die Stadtbahn nicht gegeben ist]. Es wäre nicht seriös, weitere Vorhaben voranzutreiben, solange die Finanzierung nicht gesichert ist.“ Anhand des ja nun wirklich mehr als dringlichen vierspurigen Ausbaues der A81 lässt sich zeigen, wie sich die fehlende Förderung durch den Bund auswirkt. Er ist im Bundesverkehrswegeplan 2030 nicht als vordringlicher Bedarf eingestuft, weil das „Investitionsvolumen  den  voraussichtlich  bis  2030  zur  Verfügung  stehenden  Finanzrahmen  überschreitet“. Wir können also froh sein, wenn wenigstens diese Baumaßnahme Mitte der 2030ger Jahre zur Realisierung kommt! Es ist illusorisch zu glauben, dass in diesem Zeitraum weitere zweistellige Millionensummen an Bundesmitteln in den Kreis Ludwigsburg für den Bau einer Stadtbahn fließen werden.

- Selbst die von allen Seiten befürwortete Elektrifizierung (nicht Neubau!) der Bahnstrecke Ulm-Lindau benötigte ab dem Grundsatzbeschluss der Gemeinden 2008 bis zum Baubeginn, der Anfang 2017 erfolgen soll, fast 10 Jahre Planungszeit, weitere drei Jahre sind für den Bau veranschlagt, die Kosten stiegen dabei von zunächst veranschlagten 100 Millionen Euro auf heute 225 Millionen. Im Fall der Stadtbahn sind vermutlich Planfeststellungs- und Bebauungsplanverfahren zu kombinieren und über Gemeindegrenzen hinweg zu koordinieren. Artenschutz dürfte in der freien Landschaft zum Thema werden, mehrjährige Gerichtsverfahren von Anwohnern sind nicht unwahrscheinlich, auch ist das Verhalten der Umweltverbände heute nicht zu kalkulieren. Einsprüche sind zu erwarten, sobald sich die Auswirkungen auf das städtische Umfeld bzw. die tatsächlichen Kosten konkretisieren,– vgl. Proteste gegen Stuttgart 21 und Bau von Windenergieanlagen.

Nimmt man nun die Situation Mitte der 2030ger Jahre als Grundlage für die Entscheidung und nicht die heutigen Verhältnisse, so sind im Gegenzug bis dahin folgende Entwicklungen auf Seiten des Busses absehbar:

- Bis 2020 wird die Mehrzahl der Bushersteller vollelektrifizierte Busse ohne Schadstoffausstoß bei sehr viel geringeren Lärmemissionen anbieten,

- 2025 wird die nächste Generation mit preiswerteren Bussen folgen, die dann auch vergleichsweise hohe Fahrgastaufkommen bewältigen können werden.

Fazit:

  • Busse sind schon vom Grundkonzept her wesentlich flexibler und preiswerter als Schienensysteme und erfordern auch keine weitere Zerschneidung der Stadt und Zerstörung von städtischen Freiräumen  -  in den bisherigen Diskussionen um die Landesgartenschau wird nur die B27 thematisiert, nicht aber die Fernbahntrasse, die eine tiefe Schneise in die Stadt geschlagen hat.
  • Sie werden in naher Zukunft beim Schadstoffausstoß, Lärm und Transportvolumen im städtischen Verkehr vergleichbar oder sogar besser als Schienensysteme sein.
  • Man könnte darüber hinaus sofort mit der Planung beginnen und in der Neuausschreibung der Busverkehre 2019 berücksichtigen (vgl. die kurzfristig neu eingeführten RELEX Expressbusslinien der Region Stuttgart).
  • Nicht zuletzt wäre auch eine Einbindung in die aktuellen Forschungsprojekte zur Verflüssigung und Automatisierung des Straßenverkehrs zukunftsweisend möglich, um die Verlässlichkeit eines Bussystems im normalen Straßenverkehr zu generieren.

Eine Umsetzung und damit erhebliche Verbesserung für die Bürger der Gesamtstadt (auch für uns Pflugfelder) und des Umlandes (und nicht nur für die Schienenanwohner) käme dann bereits in wenigen Jahren und nicht erst (wenn überhaupt) wie der Autobahnausbau an einem fernen Tag, wo Landrat und Bürgermeister schon längst in Rente gegangen sind.

Wir hoffen, Ihnen damit einen konstruktiven Beitrag zur Stadtbahndiskussion zu übermitteln und wünschen uns sehr, dass nicht Emotionen oder Ideologien, sondern, wie von der Stadt erfreulicherweise vorbereitet, fundierte Sachargumente über die Zukunft des ÖPNV in Ludwigsburg und Umgebung entscheiden werden.

Für Fragen und Diskussion stehen wir gern zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Ulrike  und Manfred Schuckert

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